Spirit and the City (Spoiler Alert: No Sex!)
Ich bin schon mein ganzes Leben verdächtigt worden, gut zu sein in der Sprache. In meiner Familie war ich seit immer die designierte Übersetzerin von Deutsch zu Napoletanisch und retour. Ich akzeptierte meine Rolle. „Besser als putzen“, dachte ich mir, ergeben in mein Schicksal. Später musste ich auch für Freundinnen hinhalten, wenn sie etwas schreiben musste, aber nicht wollten.
Seltsamerweise wurde mir schnell klar, dass ich als Sprachrohr nie ganz neutral war. Etwas von mir schwang in den Worten immer mit. Eine Komponente des guten Willens, des Wollens, dass es gelingt. Dass aus diesem Talent ein Beruf in der Kommunikation wurde, ist kein Zufall. Nach der Matur bin ich schnurstracks in die Werbung und bin dort als Texterin sehr lange sehr glücklich gewesen.
Nicht nur durfte ich im klaren Auftrag eines Briefings schreiben, ich war Teil eines Teams, das im Glücksfall einen ähnlichen Spirit teilte. Das mit dem Teamspirit habe ich nur gespürt und erst viel später verstanden, dass es die Zauberzutat für den Erfolg war. Ich liebte Agenturen, weil alle zusammenschmolzen in hitzigen Diskussionen, bösartigen Machenschaften, Kritik hinter dem Rücken, unflätigen Kommentaren und sexuell aufgeladenen Provokationen. Es war eine Zeit, in der die psychologischen Kräfte ungehindert fliessen konnten und manchmal geniale Resultate hervorbrachten.
In meinem zweiten Beruf in der Ausbildung von kreativen Texterinnen und Texter war der Spirit sparsam gestreut. Eigentlich war es vor allem meine Co-Leiterin Erica Sauta und ein paar Dozierende, die diesen Yedi-Groove lebten. Denn es ging um eine unmögliche Aufgabe. Um aus einem Sprachtalent einen Profi-Texter zu machen, braucht es Jahrzehnte. Wir haben es zusammen in einem Jahr hingebracht. Vielleicht weil wir einerseits richtig dosierten, was es an Übung braucht, aber andrerseits auch vorleben konnten, wie es sich anfühlt, eine gute Idee zu kreieren und ein geniales Konzept zu texten. „Das Beste, das ich Euch mitgeben kann, ist das Gefühl, was Kreation alles kann.“ Das war mein Schlachtruf und viele Studis wussten, was ich meinte, spätestens bei der Diplomarbeit.
Ich habe zwei (phasenweise vier) Kinder mit-grossgezogen und bin die Meisterin der verletzenden Grenzstrapazierungen gewesen. Bis sie dann alle gross genug waren, um auszuziehen, war mir, was das Helfen betrifft einiges klarer. Sich einmischen in das Leben eines anderen bedingt eine Einladung. Natürlich laden Kinder mit ihren Hilferufen uns ständig ein, zu intervenieren. Oft aber nur für die Zeit von ein paar lieben Worten, um dann das Problem selber zu lösen, so meine Erfahrung.
In meiner italienischen Familie, die den Charme der verletzenden Einmischung bis zur schicksalhaften Verstrickung zum Nationalsport erklärt hat, nimmt das Helfen andere Dimensionen an. Der Instinkt, was gut ist für den anderen, ist heilig. Wenn in der gleichen Familie, die Instinkte in die genau andere Richtung gehen, so sei es. Es wird gekämpft, um die Richtigkeit der eigenen Sicht, manchmal bis aufs Blut. Und auch wenn man sich nie einig wird, ist man sich sehr nah, genau durch diese Auseinandersetzungen.
Parallel zur Erwachsenenbildnerin hat es mir im Rollenrad der Coach und die Prozessbegleiterin angetan. Je vier Ausbildungen habe ich durchlaufen und beide Berufe liegen mir gut. Den Spirit der alten Werbeagenturen habe ich aber nie mehr gefunden. „Sie sind sich alle das Zahnweh neidig“, sagte Julia Cattai, die Chefin von Living Sense oft, und traf den Nagel auf den Kopf. Wieso sich in den helfenden, unterstützenden und begleitenden Jobs, so viele misstrauische Geister tummeln, weiss ich nicht sicher. Vielleicht Verletzungen?
Ich war auf jeden Fall verletzt, als ich die ersten Erfahrungen gemacht habe in meinen spirituellen Weiterbildungen. Ich wusste es einfach nicht. Das Abenteuer begann in Sternenberg an einem Coaching-Workshop, der mich abheben und mich beim Landen bemerken liess, dass ich meine alte Welt kompostieren musste. Das war ein langer, schmerzhafter Prozess. Sicher mehr als 20 Lerntagebücher reihen sich auf meinem Regal und ein paar Diplome liegen herum als Zeugen dieser Zeit.
Seit einiger Zeit ist mir klar, dass ich angekommen bin. Ich kann nicht genau beschreiben wo, aber es fühlt sich sehr an wie ganz nah an einer Raketenabschuss-Plattform. Ich habe mich beruflich von vielem zurückgezogen. Ich bin 60 geworden. Mein Körper verändert sich. Ich habe eine Katze. Ich schliesse Freundschaften mit spirituell talentierten Menschen. Das Jenseits winkt, ich habe schon mal zurück gezwinkert. Ich beginne an mein Testament zu denken, an Exit und Patientenverfügungen. Und gleichzeitig fühle ich mich übermütig und schreibe meine annaesposito.ch Website um. Abonniere Sky und schaue „Just like that“ nur um mich zu freuen, dass der tote Mr. Big via einer Lampe mit seiner untröstlichen Carrie kommuniziert.
Wieso treten jetzt, genau jetzt so viele Zeichen ein, die mich ins Spirituelle ziehen?
„Spirituelles ist schwer am Kommen“, sagt mir mein Linkedin Guru, Marianne Burri. Von Silke Schäfer habe ich den Astrologiekurs abonniert und unser aller Götterdämmerung untermauert sie eloquent und fast wöchentlich in ihren Videos. Und darum weiss ich, dass die Fische (mein Geburtszeichen) drei Jahre lang von Saturn geprüft werden. Wenn ich alles richtig verstanden habe, kann ich jetzt meine Meisterenergie erlangen oder Sterben oder jeden unnötigen Ballast abwerfen oder bis ins Knochenmark geprüft werden und auf nächste Level kommen.
Diese Ansage ist nach 60 Jahren im Gefühl, immer aufgehoben zu sein, verstörend. Es gibt Tage, an denen weiss ich knapp noch meinen Namen. Alles ist in Frage gestellt. ich schreibe jetzt in zwei Tagebüchern, um mich zu erden, die Gartenarbeit reicht schon lange nicht mehr. Ich überrasche mich mit dem Mut, ins kalte Wasser zu springen und spüre mich ins Trance Speaking hinein. Ich entdecke, dass sich Medien (Plural von Medium) in der Schweiz in Verbänden organisiert haben zur Qualitätssicherung. Ich ertappe mich dabei, davon zu träumen ans Arthur Findley College zu gehen.
Zugegeben, es war mir in den letzten Jahren, trotz Herr Kochs erleuchtenden Bulletins, sprachlich gesehen etwas langweilig. So langweilig, dass ich letztes Jahr im Sommer beschlossen habe, mich wieder zu verlieben mit der persönlichsten Sprache, die ich zur Verfügung habe. Auch ist angesagt bei einer Endlife-Crisis eine Bucket-List zu schreiben. Auf dieser Liste, wird mir bewusst, würden kleine, zarte Sachen stehen: Auf die Rigi wandern. Meinen Kindern etwas näher kommen ohne ihnen zu nah zu gehen. Mit meinem Papa eigene Borlotti Bohnen schälen und Pasta e Fagioli kochen. Einen Sommer am Atlantik verbringen. Granita essen in Pagani neben der Villa. Ans Grab meiner Mutter pilgern. Eine gutgehende Praxis haben für CreativeCoachings. In ein Deux-pièce von Chanel passen. In Neuseeland mit den Maoris schwimmen.
Nun, vielleicht wird das Abenteuer einfach dieser neue Blog sein.