Der Zwischen-Boden.
Im HB Zürich habe ich schon immer das öffentliche WC gekannt, das auf komische, fast feierliche Weise mit zwei eigenen Rolltreppen vom Bahnhof oben und vom Shopville unten erreicht werden kann. Da ich eine notorische Zu-Früh-Kommerin bin, hatte ich nach dem Besuch der blitzsauberen Komoditäten Zeit, eine Runde auf diesem Zwischenboden zu drehen. Es hat Kästchen zum Verstauen des Gepäcks. Es hat Heimatlose, die auf den Bänkli schlafen. Es hat eine Bahnhofskapelle. Es hat ein Restaurant, dass aussieht wie eine Armenküche, mit einem Bonanza Interieur, das dekoriert ist mit Plastikblumen.
Ich habe mich hier auf meiner Runde wohlgefühlt. Auch wenn der Mann, der ganz intensiv ein Zwiegespräch mit einem Brünneli hatte, etwas beängstigend war. Oben und unten fuhren Züge mit ihren Passagieren ab oder kamen an. Kapitel von Lebensgeschichten fanden ihren pünktlichen Abschluss oder begannen mit Hoffnung auf Erholung und Abenteuer. Mein Lebensgefühl ausserhalb aller Zeittafeln in dieser Zwischenwelt zu wandeln war auch eine Reise, einfach mehr nach innen.
Was tat der Besucher mit dem Drang zu reden in der Bahnhofskapelle? Mit wem sprach er da so angeregt? Alle Symbole der Weltreligionen waren im Schaufensterchen ausgestellt, alle sind willkommen, dann wohl auch alle Themen? Hätte ich hier einen Job, wenn sich dieser Zwischenboden auf einmal autonom machen würde und ich den Rest meines Lebens hier verbringe? Als Putzfrau? Als spirituelle Begleiterin? Oder wäre ich mehr zuhause im Restaurant, am Kochen und mich Aufregen, dass niemand uns findet?
Meine alte Welt versank recht schnell, Wichtiges vergass ich ohne Bedauern, Unwichtiges sowieso. Dieser kleine Kosmos, der zu 30 Prozent aus Toiletten und Duschen besteht, war einladend genug für einen Tagtraum.
Doch dann musste ich auf den Zug nach Bern. Adieu Zwischenboden, ich komme wieder.