2
Okt.
2025
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Von Wegen.

Meine natürliche Wiederauferstehungskraft und mein Wille, gegen alle Widerstände trotzdem neue Ufer zu erobern, führten fast schicksalshaft zu meinem verwirrendem Lebenslauf. Bin ich jetzt der Vorzeige-Erfolg oder der dumme Looser? Ich glaube, das hat einiges mit dem Zeitpunkt der Bewertung zu tun: Sehr oft war ich die naive Verliererin, um dann für einen glanzvollen Moment DIE Gewinnerin in einer neuen Kategorie zu werden. Habe ich überhaupt etwas beigetragen zum Lauf der Dinge ausser meinem irrwitzigen Glauben an die Phantasie des Lebens und meine Obsession für unmögliche Träume? Vielleicht den Mut, zu empfangen.

In meinem Leben erkenne ich heute klar eine göttliche Führung, die mir Zufälle und Wunder schenkt, die ich nie gewagt hätte, zu erwarten. Ein Beispiel: An Ostern 2024 beginne ich nach einem langen Brunch mit drei Heilkräuterfrauen spontan meinen Heilkräutergarten zu pflanzen. Franziska, Barbara Pia und Brigitte bringen mir wie drei gute Feen Setzlinge und Seitentriebe und das Abenteuer beginnt. An weiteren Setzlingsmärkten im Museum Bellerive, in der Stadtgärtnerei Zürich und als Geschenk von Freundinnen und Freunden kommen in diesem Jahr circa 30 Pflanzen zusammen. Sie gedeihen und blühen, sie welken und gehen ein. Im ersten Frühling 25 sehe ich zum ersten Mal die Fülle dieses Geschenks und denke mir: Was soll ich nur aus all dem produzieren? Ich schiebe diesen Gedanken zur Seite.

Mein Papa braucht mich sehr und ich habe keine Zeit für die weitere Planung meines Lebens, nur die Idee, ein paar Heilkräuter-Referate in der Bibliothek Herrliberg anzubieten bekommt eine so freundliche Resonanz, dass ich dran bleibe. Ich habe schon immer mit Herzblut geschrieben und etwas weniger, aber doch gern referiert. Im Sturm der Dinge rund um die Gesundheit meines alternden Königs, sind da diese Ruhepausen für die monatlichen Impulsvorträge, die mir etwas spezielles geben: Die Möglichkeit, einer neuen Sprache in mir zu begegnen. Einer Mischung aus Bücherwissen, aus der Weiterbildung bei Susanna Krebs und echter Inspiration.

Der Organkompass meiner Heilkräuterausbildung ist mein roter Faden für zwölf Referate und ich zwinge mich, etwas zu schreiben, dass mehr ist als Google. Und ich schaffe es, indem ich mich immer wieder dieser Liebe zuwende, die mir die Natur in Form von Heilkräutern ohne Grenzen gibt. Nach den Sommerferien kommen schon so viele Menschen in die Bibliothek Herrliberg, dass es zu wenig Stühle hat. Ich fühle mich beschenkt und bestätigt und ich frage mich, wie geht es weiter? Es geht weiter mit einer spontanen Idee: Ich schenke dem Pflegezentrum Limmattal 3.Stock ein Heilkräuterreferat als Dank für die liebevolle Zuwendung und Pflege meines Papas.

Der Stress ist da, als die Zusage der Leiterin Frau Todorovic zu dieser Idee kommt und wie immer gehe ich in den Garten, um etwas davon abzubauen. Der Sommer ist gross und die Büsche auch, so fange ich an zu schneiden: Der Rainfarn mit seinen gelben Dolden sieht hübsch aus und kommt in meinen Keller, um zu trocknen. Der Beinwell schlägt so aus, dass die verblühten Triebe auf den Kompost kommen. Vielleicht schneide ich im Frühling ein Stück Wurzel heraus. Die Schafgarbe kommt in den Keller, wie auch Wasserdost, Wermut und einjähriger Beifuss.

In meiner kleinen Bibliothek blättere ich mich durch die Bücher und entdecke: Rainfarn wird bei Burnout empfohlen. Ist giftig. Wird nur äusserlich angewendet. Ich erkundige mich bei meiner HK-Freundin nach einem guten Öl für einen Auszug und ich bestelle Distelöl. Ein paar trockene Dolden wandern in die Flasche und es sieht aus wie eingefangenes Sonnenlicht. Wirklich schön. Zu Rainfarn hatte in der Weiterbildung Lucina eine Assoziation, lese ich in meinen Notizen: Das ist ja wie bei Frederick! Die Maus, die nicht fleissig war wie die anderen, sondern anders. Und die letzte Phase der Winterdunkelheit ohne Essen und Trinken im Mäusebau mit den Vorräten an Farben, Sonnenstrahlen und guten Worten überbrückt. Ja, das passt.

Und langsam ganz langsam taucht das Referat im Spital Limmattal vor meinem geistigen Auge auf. Am Anfang die Geschichte von Frederick erzählen. Dann die Heilkräuterphilosphie mit den sieben Himmelsrichtungen. Dann Rainfarn zur Burnout Prophylaxe und Hopfen zum Einschlafen vorstellen. Den Hopfen habe ich noch hoppla hopp im Garten einer Freundin geerntet und vom getrockneten Rainfarn kann ich allen noch ein Briefchen mitgeben. Ich bin einen Moment lang dankbar und überwältigt.

Dann lehne ich mich zurück und frage mich: Kann ich das anbieten? Für Problemthemen ein oder zwei Heilkräuter zusammenstellen, das Publikum begeistern und auf die Eigenverantwortung in der Heilung hinarbeiten, die mir mein eigenes Leben gerettet hat? Yes, we can, denn ich bin mir sehr bewusst, diese Arbeit mache ich nicht allein.

Ein Leben kann nur vor im Vorwärtsgang gelebt werden und nur in der Rückschau begriffen, hat man mir gesagt und es macht Sinn. Nur wie viel ich im Rückspiegel begreife hat etwas mit meiner Reife zu tun. In verschiedenen Jahrzehnten, entdecke ich andere Blickwinkel und lerne etwas Neues über mich. Ein allgemein gültiges, unveränderbares Narrativ ist ein Narrenspiel. Meine Wahrheit ist lebendig und tief und ich packe sie aus wie ein Geschenk, wie eine Babuschka und wundere mich über die Multidimensionen des Lebens. Und freue mich auf die nächste Mauer, die fällt und auf die grössere Freude, die dadurch möglich wird.

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