Die Saturnpilger

In meiner Rekonvaleszenz habe ich mich mit Häkeln und Astrologie über die Runden gebracht. Nach 50 Jahren Heftli-Horoskope lesen, habe ich entdeckt, dass die professionelle Sprache der Sterne mir sehr entspricht. Zum Beispiel: Saturn, Lord of the Rings, steht seit der griechischen Antike für den strengen Hüter der Schwelle. In meiner Welt der Werbung sehe ich seine Funktion klar ein. Saturn musste den Schnidelwutz seines Papa Uranus abschneiden, weil der eine Kreation nach der anderen ins Leben rief und dann wieder zerstörte, ohne Sinn und Ziel. Mamma Gaia hatte die Nase voll, ihre Kinder im Schlund des Papas verschwinden zu sehen und Saturn, der heimlich versteckte Sohn, nahm die Sichel in die Hand und tat das Nötige. In der Kreation der Werbung war das Ideen finden nie das Problem. Jeder hatte Tausend Ideen: Der Kunde, die Frau des Kunden, der Texter, der AD, der Grafikstift, die Putzfrau, alle! Am Schluss hatte der Creative Director die undankbare, saturnische Aufgabe, drei Richtige auszuwählen und seinen Kopf hinzuhalten für seine Reduktion auf das Wesentliche. In der Texterschule habe ich den Studis immer empfohlen drei Ideen zu präsentieren: Die Richtige, die Bessere und die Wild Card. Mit der Empfehlung alle Ideen so gut zu machen, dass sie in der Umsetzung mit der Wahl des Kunden leben konnten.

Nachdem ich im Oktober 2022 meinen Saturn Return hatte, er braucht für einen Umlauf 29,5 Jahre also war ich 59, machte ich nochmals heftig Bekanntschaft mit dem strengen Creative Director in meinem Leben. Das heisst, ich musste mich mit meinem Tod auseinandersetzen und damit Frieden schliessen. Ich musste meinen Weg zwischen Marketingmedizin und ganzheiltlicher Heilung gehen lernen. Und ich musste etwas Schöpferisches finden, dass mir in all meinen zukünftigen Daseinsformen, krank, gesund, im angsteinflössenden Monitoringmodus, Lebensfreude schenkt. Mein Hexenbulletin (Das Richtige) und mein Heilkräuterkindergarten (Das Bessere) und Reisen (Wild Card).

So bin ich vor einigen Tage in den Flieger gehüpft und bin nach Neapel geflogen. Zufällig hatte ein alter Freund auch Zeit und hüpfte mit. Sein Saturn Return findet dieses Jahr statt und vor 29,5 Jahren waren wir zusammen schon in New York an der NYU Filmschule für ein Sommer-Semester. Für Beide eine bedeutungsvolle Kreuzung, an der sich unser Leben veränderte und einen neuen Verlauf nahm.

Wir blieben nicht in Neapel, sondern fuhren weiter nach Pagani, da ich ein Fest miterleben wollte, das meine Paesani vor ein paar Hundert Jahren ins Leben gerufen haben: La Madonna delle Galline. Die Geschichte dazu: Die Madre Addolorata hat ihren Sohn Jesus am Karfreitag dem Tod übergeben und begräbt sich unter ihrem Schmerz. Doch ein paar Wochen später kommen die Leute vor ihre Kirche und singen so lange ihren Bittgesang bis sie die Pforten wieder öffnet als Sinnbild ihrer Wiederauferstehung. Sie lässt sich 36 Stunden anhimmeln und empfängt viel Besuch, um dann am Sonntagmorgen in das strahlende Licht des Morgens aus der Kirche herausgetragen zu werden. Bis am Abend besucht sie alle Quartiere und sie wird gefeiert wie der stolze Aufbruch der Natur, den sie verkörpert.

Muss ich sagen, dass ich viel geweint habe? Wohl schon. Etwas Wunderbares stirbt nicht unbezeugt, man trauert zu Recht. Dann kann man etwas aus dem Rest der Zeit machen. „Maronna, miettece a mano toia“. Madonna, lege Deine gute Hand darauf. Ja, um diese kreative Hilfe habe ich gebeten. Lustigerweise habe ich in meiner Rekonvalesenz neben der Astrologie und dem Häkeln noch einen Lehrgang zum Thema geistiges Heilen gebucht (Wild Card), in dem wir viel mit den Händen arbeiten.

„Learning is your Healing“ sagte mein alter NY-Freund zu mir, und in meinem Herzen sagte ich dazu Ja, heschjarächt. Seit 2008 waren es sieben Ausbildungen, die ich gesammelt habe, in dieser Zeit ist Pluto (Transformation ohne Wenn und Aber) durch den Steinbock gewandert und in meinem Leben blieb kein Stein auf dem anderen. Doch jetzt ist die Zeit reif, das alles auf den Hexen-,-Garten- & Koffer-Boden zu bringen.

Solange ich noch etwas lernen und weitergeben kann, bleibt das Leben eine wunderbare Kreation für mich. Saturn ist im Frühjahr 2024 zu guter Letzt auch an meiner Sonne (Bewusstsein), meinem Chiron (Schmerzpunkt) und meinem Pluto (Sterben und Werden) vorbeigezogen und hat mich nochmals durch strenge Prüfung auf ein neues Level gehoben. Saturn, du Meister des Wesentlichen, ich danke Dir! Nächste Station von Saturn ist mein Jupiter im 7. Haus im Zeichen Fisch. Persönliche Kontakte anschauen. Wer gehört zu mir und meiner neuen Welt? Stay tuned.

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