Heilkräuterkindergarten, die ersten 100 Regentage.
Regensommer 2024. Meine Parzelle am Fulerweg in Herrliberg sieht aus wie eine Zeichnung von einem Kindergärtler. Viele farbige Flecken dazwischen freudig wachsendes Unkraut-Chrüsimüsi auf braunem Schlamm und als Rahmen Kürbisse und Borlotti-Bohnen, ein vor Kälte bibbernder Setzling nach dem anderen. So habe ich mir den Start im Heilkräutergarten nicht vorgestellt. Ich sah mich mit Strohhut unter der Sonne, umringt von Bienen, in einem blühenden und duftenden Paradies, in dem ich es geschafft habe, üppige Natur mit Liebe gedeihen zu lassen.
Ha. Ha.
Seit der Bögg vom Hurricane verwindet wurde und uns alle allein gelassen hat mit unserem Traum vom Sommer, regnet es. Und regnet es. Und regnet es. Im Vergleich zu letztem Jahr, als die Kartoffeln um diese Zeit schon hoffnungslos vertrocknet waren, eine klare Verbesserung. Doch das Gemüt sehnt sich nach Wärme, und so bin ich auf die Suche gegangen nach Sonne, Sand und Meer und war ein paar Tage lang perfekt glücklich in Italien. Zuhause haben befreundete Gärtnerinnen und Gärtner an den ofenwarmen Tagen nach dem rechten geschaut, denn es genügen ein paar heiße Stunden und die aufgepumpten Pflanzen machen schlapp.
Die Heilkräuter, die ich gesetzt habe, sind scheint’s recht glücklich und nach 100 Tagen Sintflut und immer noch gewillt, meinen Garten Eden zu bevölkern: Veilchen, Schlüsselblume, Wasserdost, Königskerze (im Bild), Wegwarte, Lein, Johanniskraut, Eisenhut, Pfefferminz, Malve, Herzgespann, Alant, Angelika, Thymian, Rosmarin, Wermuth, Ringelblume und die Schafgarbe, meine Königin. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, bis die Gemeinde Herrliberg ein Projekt durchbringt und mich enteignet. Wenn ich zwei Münzen gehabt hätte zum Aneinanderreiben, hätte ich natürlich lieber ein Grundstück gekauft und als constant gardener einen bleibenden Garten gepflanzt. Aber so habe ich die eklektische Befriedigung, einen Garten auf Zeit zu genießen. Que sera, sera.
Wir sind nach dem Meer in die Hügel nach Assisi gefahren. Ein Städtchen ganz in rosa Steinnuancen gebaut und Geburtsort von San Francesco. Der mit dem Credo „Sie säen nicht, sie ernten nicht, und Gott erhält sie doch.“ Heute in der Sonntagspredigt, die ich mir nicht entgehen lassen konnte, hat der Pfarrer den lebendigen Glauben als Pflanze portraitiert. Nicht wie einen Edelstein oder eine andere fixe Kapitalanlage, sondern wie eine wachsende Pflanze, in verschiedenen Formen und in Harmonie mit ihrem Wandel.
So bin ich mit meinem Heilkräuterkindergarten in einer Zeit gestartet, die so ist wie sie ist. Ich liebe ihn deshalb nicht weniger, auch wenn er erst in vielen Jahren vorzeigbar werden wird. Mein Glaube ist gepflanzt.