Ein Endfang in Schlieren.
Clean Cuts sind meine Sache nicht. Immer wieder hoffe ich auf ein Wunder. Auf eine Idee. Eine Lokomotive, die mich turboschnell in eine bessere Zukunft zieht und mich die Stationen, die schmerzen, definitiv hinter mich lassen lässt. But no such Luck.
Tag 1. Ich sitze in diesem Sommer in Schlieren in der Elternwohnung, die es zu leeren gilt, weil wir sie aufgeben. Viele Dinge verschenke ich sorglos an Weggefährtinnen im Frauenzirkel meiner Mamma, an ihre Freundinnen und an meine Cousinen. Sogar die katholische Kirche nimmt die Devotionalien zurück zum Wiederbrauchen. Leichte Abschiede begleitet von schönen Gesprächen.
Tag 10. Das Gefühl, ein ungeliebter Störenfried gewesen zu sein, klebt an mir hier. In dieser Wohnung bin ich immer noch die Tochter, die schwierig war. Die Erstgeborene, die mit den Traditionen gebrochen hat. Die Träumerin, die trotz des Trommelfeuers täglicher Ermahnungen, die Risiken eingegangen ist mit allen Konsequenzen. Die 20-jährige, die ausgezogen ist und ihrem Papa das Herz gebrochen hat. In meinem Gefühlsleben bleiben diese Wunden hartnäckig Teil von mir.
Tag 15. Es geht besser. Ich erinnere mich, ich habe meine Freiheit genutzt und bin mich selber geworden. Ich habe meine Familie gegründet und meine Eltern waren immer an meiner Seite und haben mich tatkräftig unterstützt. Oft muss ich bei Entdeckungen lachen. Da wir nie zur Grösse eines Kennedy Clans gewachsen sind, macht ein 12-teiliges Pfannenset in Restaurantqualität keinen Sinn. Doch meine Tochter sagt, sie will es aufbewahren. Und schon bin ich wieder in der Falle vom unmöglichen Schlussstrich.
Tag 18. Einsichten stellen sich ein. Ich bin nicht mehr nur Tochter, ich bin auch Mutter. Ich bin Teil einer grösseren Geschichte. Was meine Kinder zum Erbe der Nonni zu sagen haben, verdient Respekt. Ich spüre, dass vielleicht der traditionelle Traum meiner Mutter zum traditionellen Traum meiner Tochter wird und mein Schmerz, diesen nicht teilen zu können, muss jetzt einfach ins Hagenholz zum Verbrennen gefahren werden. Basta!
Tag 23. Geduldig packe ich die Kristallgläser ein, wickle sie in Papier und dann in Spitzendeckchen, staple die Bettgarnituren aus Leinen auf die Handtücher aus Hanf, lege das Porzellan, das wir nur an Weihnachten brauchen, sorgfältig in eine Bananenkiste. Langsam merke ich, ich lasse mich ein auf diesen Prozess, der mich mit Sicherheit an ein Ziel hinführen will. Zu einem Endfang mit emotionalem Hin und her, das einfach zu mir gehört. Ich kenne die neue Station noch nicht, aber ich werde sie erreichen.
Vertrauen, Anna! Und bis es mir klar geworden ist, geniesse ich das Abenteuer.